Die Steppenelfen des Stammes Shakai

eben den Halblingen im Ghodinie-Wald waren die Steppenelfen die eigentlichen Ureinwohner Laboriels. Nur wenigen ist heute noch bekannt, dass mit der Vertreibung der Rock und der damit verbundenen Landerschliessung auch der Lebensraum der Steppenelfen kleiner wurde. Diese besondere Elfenrasse lebte als Nomaden. Sie bereisten in Gruppen zu bis zu fünfhundert Elfen das Land und ernährten sich vom Wild. Gelegentlich kam es zu Kämpfen mit den Orks. Doch meist blieb man auf Distanz und wich, wenn nötig, auch voneinander aus. Vielleicht waren die Verbundenheit und der Friede mit den Orks der Grund dafür, dass die neuen Rassen die Steppenelfen als Feinde ansahen. Während im heutigen Maajoogan noch der blutige Kampf tobte und viele Menschen und Zwerge ihr Leben liessen, verhielten sich die Steppenelfen nach wie vor friedlich.
Als die Orks immer weiter zurückgedrängt wurden, stellten die neuen Bewohner fest, dass kein Konflikt zwischen ihren Todfeinden und der fremden Elfenrasse bestand. So kam es, wie es kommen musste. Auch die Steppenelfen, die erst heute diesen Namen tragen, da sie nur noch in den Steppen der Wilderlande im Westen zu finden sind, wurden bekämpft und vertrieben. Früher hiessen sie noch Wanderelfen oder Kivals, wie es in altsüdländisch bedeutet.
Mit der Vertreibung der Wanderelfen begann eine der dunkelsten Kapitel der südländischen Geschichte. Die Ereignisse waren zu grausam, dass sie in keinem Geschichtsbuch vermerkt wurden.
Auf einen Erlass des damaligen Königs von Maajoogan wurden alle Wanderelfen für vogelfrei erklärt. Für jeden toten Elfen, der in staatliche Obhut gebracht wurde, gab es eine Prämie. Die Magiergilde von Askarjan hatte herausgefunden, dass aus den Knochen der Wanderelfen sehr gute, magische Langlebigkeitstränke gebraut werden konnte.
In den folgenden Jahren wurden wahllos Wanderelfen abgeschlachtet. Abenteurer und Söldner machten sich mit grausamsten Mitteln auf die Jagd. Viele Existenzen wurden mit dem so gewonnenen Geld gegründet. Einige Nachkommen leben noch heute davon. Nach zehn Jahren waren die meisten Wanderelfen getötet worden. Nur noch drei Stämme gab es: die Shakai, die Huidt und die Midokas. Die Huidt und die Midokas beschlossen, weiter nach Westen zu ziehen. Hinter dem großen Gebirge hofften sie, neuen Lebensraum zu finden. Auf dem Weg dorthin starben viele Elfen, doch schliesslich erreichten sie ihr Ziel und konnten dort friedlich weiterleben.
Der Häuptling der Shakais Dakas Olagas (Lachender Bär) erinnerte sich an eine alte Legende.
Die Shakais hatten einem Clan der Ghodinie-Halblinge vor Jahren im Kampf gegen die Orks geholfen. Ohne die Hilfe der Wanderelfen wären die Halblinge wohl verloren gewesen. Dakas Olagas sandte seinen Sohn Pimo Tiko (Schneller Falke) zu den Halblingen und bat sie um Hilfe.
Der Clanführer Minoc McClay erinnerte sich an die Ereignisse. Auch das Versprechen seines Großvaters an die Wanderelfen fiel ihm wieder ein. So forderte er den Stamm der Shakai auf, seine Gäste zu sein. Die knapp hundert Mitglieder des Stammes schlichen durch die gegnerischen Stellungen und erreichten den Wald. Die anderen Halblingclans waren erst gegen dieses Asyl. Doch auch ihnen war die alte Geschichte bekannt, so stimmten sie schliesslich zu und sicherten den McClays ihre Unterstützung zu.
Die Führer der anderen Rassen protestierten. Wie konnten es die kleinen Wichte wagen, die Feinde der zivilisierten Welt zu unterstützen? Sie drohten sogar mit Krieg. Doch sie wussten genau so gut wie die Halblinge, dass sie im Wald der Ghodinies keine Chance hatten. So beriefen sie ein Treffen der fünf Vertreter der Rassen ein, die Menschen, die Zwerge, die DaCosta-Elfen, die de Jardin-Elfen und die Halblinge.
Tagelang debattierten die Fünf. Doch auch nach zwei Wochen war keine Einigung in Sicht. Die Menschen wollten schon den Krieg ausrufen, als der Fürst der Ghodinies eine denkwürdige Rede hielt. Er sprach die beiden Elfenvertreter direkt an und forderte sie auf, ihre Meinung zu überdenken. Schliesslich waren es Elfen, die abgeschlachtet wurden. Brüder und Schwestern, die vielleicht noch vor einigen tausend Jahren mit den eigenen Vorfahren zusammen gelebt hatten, waren nun Feinde. Das eigene Fleisch und Blut war von nun an böse. Was wäre, wenn in ein paar Jahren die DaCosta-Elfen oder die de Jardin-Elfen ausgerottet werden sollten. Wären sie dann nicht auch froh, Hilfe von jemanden zu erhalten?
An den Zwergenführer richtete er nun das Wort und sagte, dass sich die Zwerge nicht schämten, ihre guten und kostbaren Waffen für ein solchen sinnlosen und lebensverachtenden Kampf zu stellen.
Hatte es die alte Rasse der Zwerge nötig, so sinnlos gegen jemanden vorzugehen? Sicherlich ist es mit den Elfen nicht immer leicht, doch beanspruchen die Wanderelfen den Lebensraum der Zwerge für sich. Ist ein friedliches Nebeneinander nicht möglich? Wir fordern keinen Platz für die Wanderelfen im Rat. Was wir wünschen ist lediglich ein Gebiet, in dem die Wanderelfen friedlich und ohne Angst leben können.
Nun drehte sich die Halbling zu dem Vertreter der Menschen und sagte, dass es für ihn wenig verwunderlich wäre, dass die Menschen gegen die Wanderelfen vorgehen würden. Für die Halblinge seien die Menschen schon immer die niedrigsten aller Rassen gewesen. Das sinnlose Morden der Wanderelfen, um ihr eigenes Leben durch magische Tränke zu verlängern, würde auch nicht dazu führen, dass die Menschen weiser würden. Das Leben der Menschen ist zu kurz, als das sie die Weisheit der Zwerge, Elfen und Halblinge jemals erreichen könnten. All die Philosophen und Denker der Menschen sind Phantasten, die auf der Suche nach Weisheit nur wirre Behauptungen aufstellen.
Von ihnen erwarte er nicht, dass sie ihren Kampf beenden.
Als der Halbling sich wieder setzte, herrschte zunächst einige Zeit Ruhe im Raum. Der Zwergenfürst fand als erster die Sprache wieder und sagte; dass von nun an alle Waffen der Zwerge ruhen. Die Wanderelfen müssten nun keine Angst mehr vor den Zwergen haben.
Auch die beiden Elfenvertreter antworteten so. Nur der König der Menschen forderte noch immer den Kampf. Daraufhin sagte der Zwergenfürst, dass sobald ein Wanderelf sterben würde, die Menschen als Feinde der Zwerge angesehen würden und der Krieg beginne. Die Elfen und der Zwergenfürst forderten nun den Fürst der Ghodinies auf, ein Gebiet auf der Karte zu kennzeichnen, das die neue Heimat der Shakais sein soll. Man einigte sich auf ein Gebiet im heutigen Bolivar im Nordosten Laboriels.
Heute besteht der Stamm der Shakais aus 95 Elfen. Sie werden angeführt von Dikas Magos (Singender Vogel). Ihm zur Seite steht der Schamane Matusa Ey (Brüllender Elch). Die Wanderelfen durchstreifen das Gebiet von Bolivar und die angrenzenden Länder. Sie ernähren sich von Wild und den wilden Früchten. In den letzten Jahren sind sie auch dazu übergegangen, Fell und Pelze auf den Märkten zu verkaufen und Handel mit den Einwohnern zu betreiben. Dadurch sind die Shakais im Strassenbild häufiger und nicht mehr so etwas Besonderes. In anderen Regionen sagen die Wanderelfen noch immer für Aufsehen.
Ihre Unterkunft sind Zelte mit einer sechseckigen Grundfläche. In der Mitte befindet sich meist eine Feuerstelle, um die die Elfen sitzen bzw. schlafen. Die Grundfläche beträgt etwa 14 m², wobei die Zelte bis zu 5 m hoch sind. In einem Zelt leben meist vier Elfen. Häufig sind es Vater und Mutter mit ihren jüngsten Kindern. Die älteren Kinder leben in einem kleineren Zelt, dass häufig in der Nähe des elterlichen steht.
Da Vielfachehen in der Familie vorgenommen werden, kommt es häufig zu missgebildeten Kindern, die sofort nach der Geburt ausgesetzt werden.
Die Ehe ist die wichtigste Institution neben der Stammesgemeinschaft. Daraus folgt, dass schon in jungen Jahren die Elfen verheiratet werden. Eine Ehe mit nicht Stammesangehörigen ist unüblich und kommt alle hundert Jahre vor.
Die Stammesgemeinschaft wird nur selten für längere Zeit verlassen, es sei denn, dass eine Mission erfüllt werden muss.